Michael Scharsig

Was Unternehmen tun müssen, um junge Frauen zu halten

Michael Scharsig
Michael Scharsig
veröffentlicht am 4.8.2016

Führungskräfte schätzen die Gründe, warum junge Talente ihr Unternehmen verlassen, meistens völlig falsch ein. Dabei irren sie sich gerade bei den Gründen, warum junge Frauen das Unternehmen verlassen. Welche dies nämlich wirklich sind, das hat eine Studie jüngst aufgezeigt. Die Zeit ist reif, dass Unternehmen aktiv daran arbeiten, junge und gut ausgebildete Frauen besser zu integrieren, zu fördern und so langfristig an sich zu binden.

Wenn’s nicht passt, bin ich weg

Nach dem Abschluss wollen frischgebackene Absolventen erstmal zügig auf den Arbeitsmarkt. Das gilt sowohl für die jungen Männer als auch Frauen gleichermaßen. Letztere setzen sich dabei besonders oft unter Druck, denn sie wollen gegenüber ihren männlichen Konkurrenten nicht den Kürzeren ziehen. Dass dabei der erste Arbeitgeber in der Regel nicht alle ihre Wunschkriterien erfüllt, ist erstmal nicht so tragisch. Der erste Job dient als Testwiese, um erstmal überhaupt ins Berufsleben zu schnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Beim zweiten Job sieht das Ganze schon anders aus und die Erwartungen steigen proportional von Job zu Job. Wo es den sogenannten Millennial-Frauen nicht passt, wird auch nicht zu lange gehadert und der Job gegen einen neuen, besseren getauscht.

Für Unternehmen ist es daher wichtiger denn je, sich die folgenden drei Fragen zu stellen, um junge Frauen langfristig an das Unternehmen zu binden:

  • Wie werden wir für die aktuelle und die nächste Generation weiblicher Top-Talente attraktiv?

  • Wie schaffen wir es, die Talente im Unternehmen zu halten?

  • Wie schaffen wir es, ihnen die Karrieren zu ermöglichen, die sie anstreben?

Das International Consortium for Executive Development Research (ICEDR) hat in einer Studie versucht, genau diese Fragen zu beantworten und befragte hierzu Führungskräfte, weibliche Nachwuchstalente um die 30 und andere Millennials aus unterschiedlichen Unternehmen mit Hochschulabschluss.

Gründe, warum Frauen Unternehmen verlassen

Kündigt eine junge Frau den Job, so glauben Unternehmen und ihre Führungskräfte, es liege in erster Linie daran, dass Beruf und Familie bzw. Privatleben nicht gut vereinbar seien. Sprich: wenn es an Flexibilität mangelt. Doch die Studie des ICEDR hat hier ganz andere Gründe ermittelt.

Folgende Aussagen zeigen die Hauptgründe auf, warum junge Frauen Unternehmen auch nach kurzer Zeit verlassen:

  1. “Ich habe einen neuen Job gefunden, bei dem das Gehalt besser ist.”

  2. “Es gibt hier nicht genug Möglichkeiten und Perspektiven für mich, um zu lernen und mich weiterzuentwicklen.”

  3. “Die Arbeit hier ist nicht so interessant und sinnvoll wie ich sie mir wünschen würde.”

Damit sind die Gründe, warum junge Frauen ein Unternehmen verlassen, kaum anders als die ihrer männlichen Kollegen. Die Forscher der Studie haben ebenfalls aufgezeigt, dass die oben genannten Gründe sowohl für junge Frauen in ihren 20ern sowie ihren 30ern die gleichen sind, um sich von einem Unternehmen zu trennen. Zeit für die Familie und mehr Vereinbarkeit kommen erst später im Ranking. Das Thema Kinderkriegen steht also nicht an oberster Stelle, um sich neu zu orientieren.

So wird man als Unternehmen für junge Frauen attraktiv

Was also sollten Unternehmen tun, um junge Frauen zu halten? Die Antworten lassen sich direkt aus den oben genannten Fragen herleiten: 

  1. Indem sie Frauen fair und angemessen bezahlen

  2. Indem sie sie fordern und ihnen interessante Aufgaben zuweisen

  3. Indem sie ihnen Eigenverantwortung übergeben und ihnen Perspektiven bieten, die auch zum Erfolg der Organisation beitragen

Die Forscher der ICEDR haben sich in ihrer Studie die Millennial-Frauen aber auch ganzheitlich angeschaut und die wichtigsten Faktoren ermittelt, die dazu beitragen, dass sich Frauen in ihrem Unternehmen wohlfühlen, sich engagieren und letztlich auch langfristig bleiben. Nachfolgend die Top Fünf der Dinge, die ein Unternehmen für junge Frauen attraktiv machen. Sind diese auch in Ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit?

  • Für ganze 100 % der Frauen ist es wichtig, dass sie in einem Unternehmen ihre Fähigkeiten, darunter Soft und Hard Skills, erweitern können

  • Für 94 % ist es wichtig, dass das Unternehmen einen Zweck hat, der sie inspiriert und nicht ausschließlich nach Gewinn strebt

  • Ebenfalls 94 % erwarten, dass ihr Vorgesetzter sie als gesamte Person begreift - und nicht nur als Arbeitskraft 

  • 87 % der Befragten wollen mit tollen Kollegen und einer guten Gemeinschaft vernetzt werden

  • 79 % erwarten, dass das Unternehmen sie fordert und dabei unterstützt, ihr Potential zu entfalten und eigenverantwortlich Projekte zu leiten

Man erkennt also, dass gerade auch die Sinnhaftigkeit im Job für junge Frauen einen besonders hohen Stellenwert einnimmt. Anders als noch die Generationen vor ihnen, erwarten gerade die Millennials, dass ihre Arbeit sinnvoll ist, anderen Menschen weiterhilft und sie persönlich erfüllt.

Millenials wollen wissen: “Lerne ich jeden Tag was dazu und kann ich wachsen? Werde ich entsprechend meiner Interessen und Talente gefördert?” Sie wollen schnell aufsteigen, sich vernetzen, interessante Dinge geboten bekommen und reagieren daher auch wenig tolerant auf mangelnden Empathie, mangelndes Interesse ihrerseits und Chancenungleichheiten.

So manchem Chef würden daher ein paar Nachhilfestunden im Bereich Empathie und Mitarbeiterführung zugute kommen. Nehmen wir als Beispiel das Thema Loben. Es scheint ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, dass hierzulande gute Leistungen leider selten mit einer öffentlich geäußerten Anerkennung belohnt werden. Nach dem Motto: “Nichts gesagt ist Lob genug.” Schließlich reicht es doch, wenn man selber weiß, dass man einen guten Job macht. Oder etwa nicht? Möglicherweise denken Chefs, eine einmalig geäußerte Wertschätzung würde die Motivation des Mitarbeiters bis ans Ende aller Tage in den Untergrund befördern, statt dass sie ihn erst recht zu Höchstleistungen animiert. Ganz zu schweigen von dem Wohlgefühl, das ein paar lobende Worte auslösen.

Daher sind junge Frauen auch nicht bereit zu viel Zeit zu verschwenden und ihre Energie in einen Job und ein Unternehmen zu investieren, das ihren Vorstellungen und Ansprüchen nicht gerecht wird. Das folgende Modell der ICEDR veranschaulicht die Wünsche junger Frauen und gibt Unternehmen und Vorgesetzten eine Hilfe an die Hand, wie sie für jene attraktiv werden.

Das Millenial Women Advancement Modell

Studitemps Fazit: Junge, gut ausgebildete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen langfristig an sein Unternehmen zu binden ist nicht so einfach, das ist klar. Doch die fünf Aspekte des Millennial-Women-Advancement-Modells bieten Unternehmen eine sehr gute Orientierung, was sie tun können, um gerade die jungen Frauen für ihr Unternehmen zu begeistern. Die Ergebnisse lassen sich auch auf die männlichen Kollegen übertragen. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, sollte die Quintessenz einer solchen Studie zum Anlass nehmen, diese in seine Unternehmensphilosophie einfließen zu lassen. Ein Mitarbeiter ist nämlich nicht nur eine Arbeitskraft, sondern sollte in seinem gesamten Wesen betrachtet werden. Mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Stärken und Interessen. Nur wer es als Führungskraft schafft, diesen Aspekt zu berücksichtigen und wer versteht, dass Empathie auch im Job spürbar gelebt werden muss, der wird sich nicht nur einer langfristig guten Leistung, sondern auch der Sympathie seines Mitarbeiters sicher sein können.

Michael Scharsig
Über den/die Autor*in

Michael Scharsig

Mein Name ist Michael, ich habe früher für jobvalley gearbeitet und Artikel für das Jobmensa Magazin verfasst. 2013 habe ich mein JPR-Studium (Journalismus/Public Relations) abgeschlossen. Parallel dazu war ich rund zwei Jahre als Online-Fußballredakteur in NRW unterwegs und bin anschließend für drei Monate nach London gegangen. Dort lernte ich dann Marketing und Instagram näher kennen. In meiner letzten Station hatte ich als PR-Volontär mit Social Media und Blogger Relations zu tun. Privat bin ich außerdem Filmblogger und habe 2014 eine Rock-am-Ring-Facebook-Seite betreut, die sich dafür einsetzte, dass Festival in meine Heimat zu holen. Hat nicht geklappt, aber Spaß hat's gemacht.

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