Michael Scharsig

Erst der sichere Job, dann das Gehalt – und bitte recht wenig Verantwortung

Michael Scharsig
Michael Scharsig
veröffentlicht am 8.6.2015

Über die hauseigene Studienreihe „Fachkraft 2020“ erforscht Studitemps in Kooperation mit der Maastricht University seit 2012 intensiv die unterschiedlichsten Lebenswelten von Studenten und Absolventen in Deutschland. Fester Bestandteil der Forschung ist (auch) die Frage nach den Erwartungshaltungen, die beim Berufseinstieg am wichtigsten sind. 

Überraschend: Die inzwischen 150.000 Befragten geben sich zurückhaltend. Erst mal sicher im Job ankommen, dann weitersehen, lautet die Devise. Gehört der akademische Himmelsstürmer damit der Vergangenheit an?

Intaktes studentisches Selbstbild

Nein, nicht wirklich, denn mehrheitlich sehen die Studenten in Deutschland dem beruflichen Einstieg noch immer mit gesundem Selbstbewusstsein entgegen. Warum auch nicht? Beträchtlichen Teilen der Wirtschaft geht es schließlich gut, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen liegt auf Rekordniveau. Als entsprechend unproblematisch schätzen laut Studie „Fachkraft 2020“ über 60 Prozent der befragten Studenten den anstehenden Übergang in die Berufswelt ein.

Besonders ausgeprägt ist der Optimismus erwartungsgemäß aufseiten angesagter Studiengänge wie Medizin (85 %) oder Ingenieurwissenschaften (76 %). Doch auch Studiengänge wie Sozial- oder Geisteswissenschaften – zumindest auf dem Papier weniger verheißungsvoll – schneiden bei der grundsätzlichen Beurteilung der beruflichen Einstiegschancen mit Werten von über 40 Prozent recht ordentlich ab. Kurzum: Das studentische Selbstbild dieser Tage ist intakt.

Was beim Jobeinstieg am wichtigsten ist

Sehr deutlich kommt in den bisherigen Erhebungen zur Studienreihe jedoch auch zum Vorschein, wie ausgeprägt (inzwischen) das berufliche Sicherheitsbedürfnis junger Menschen ist. Indikator hierfür: Als wichtigste Jobanforderung wird mit Abstand der sichere Arbeitsplatz angesehen, überraschend klar vor dem Einkommen. Und erst recht vor der Frage nach beruflicher Eigenverantwortlichkeit.

Platz 1: Der sichere Arbeitsplatz

Studenten wollen vor allem eines vermeiden: prekäre Arbeitsverhältnisse und einen von Umwegen und Wartephasen geprägten Einstieg in das Erwerbsleben. Der sichere Arbeitsplatz ist dabei für Hochschülerinnen (41 %) etwas wichtiger als für Hochschüler, deren Votum bei 37 % liegt. Und die Ergebnisse nach angestrebtem Abschluss?

Hier liegt erwartungsgemäß das Staatsexamen in Führung. Es folgen die Bachelor-Studenten, die im Vergleich zu den akademisch fortgeschrittenen Kommilitonen des Master- und Promotionsbereichs ein eher eingeschränkteres Vertrauen in die eigene Marktreife zu haben scheinen. Daher die vorrangige Zielsetzung: sicherer Arbeitsplatz.

Platz 2: Das Arbeitsklima

Für angehende Absolventinnen und Absolventen ist es wichtig, sich am Arbeitsplatz wohlfühlen zu können: Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die Analyse der vorliegenden Daten weder für den Geschlechtervergleich noch für den Vergleich der angestrebten Abschlüsse größere Unterschiede zutage gefördert hat. Das „gute Betriebsklima“ scheint bei Studenten somit als eine Art Konsensthema durchzugehen, dem sehr viele Befragte hinsichtlich der Wahl des Arbeitgebers eine vergleichsweise hohe Wichtigkeit beimessen.

Platz 3: Das Einkommen

Das Gehalt sollte passen – und zwar vom Start weg: Bei dieser Sichtweise sind im geschlechtlichen Vergleich der Hochschülerinnen und Hochschüler nur wenige Unterschiede auszumachen, und auch mit Blick auf die angestrebten Studienabschlüsse ergibt sich in dieser Frage ein recht homogenes Stimmungsbild. Letzterer Punkt bedeutet auch: Die Relevanz des Aspekts „Einkommen“ hängt beim Jobeinstieg überraschenderweise nur unwesentlich von der individuellen akademischen Qualifikation oder vom Alter der Absolventen ab.

Platz 4: Work-Life-Balance

Der auch medial zuletzt häufig aufgegriffene Aspekt “Work-Life-Balance” ist wohl als Trendthema zu bezeichnen. Doch gemessen am Stellenwert, den das Thema im journalistischen Diskurs über das Arbeiten einnimmt, scheint es für Hochschülerinnen und Hochschüler mit Blick auf den Berufseinstieg eher von untergeordneter Bedeutung zu sein. Anzunehmen ist jedoch, dass die Vereinbarkeit von Job und Freizeit/Familie im weiteren Karriereverlauf deutlich an Relevanz gewinnt – ebenso wie das Streben nach Karriere und Aufstieg. 

Platz 5: Aufstiegschancen

Überraschenderweise ist der studentische Wunsch nach einem gelungenen Jobeinstieg (zunächst) mehrheitlich nicht an das Streben nach Karriere und beruflichem Aufstieg gekoppelt. Interessante Ausnahme: Die individuellen Ambitionen steigen beim Jobeinstieg lediglich dann beträchtlich, wenn angehende Absolventen den Start ins Berufsleben im Ausland angehen wollen. Und die Situation im Staatsexamen? Die vielfach winkende Verbeamtung scheint Studenten nicht eben als Ansporn für eine bewusste Karriereplanung dienlich zu sein.

Platz 6: Eigenverantwortung

Dass die Anforderung “Eigenverantwortliches Arbeiten” bei angehenden Absolventen abgeschlagen auf dem letzten Platz rangiert, mag zunächst einmal überraschen. Denn letztlich sollte Eigenverantwortung gerade im akademischen Kontext als eine elementare Voraussetzung für den Beruf angesehen werden. Es steht jedoch auch hier zu vermuten, dass dieser Aspekt von Studenten eher mit Stufen auf der Karriereleiter in Verbindung gebracht wird, die zum Zeitpunkt des Jobeinstiegs noch in relativ weiter Ferne liegen.

Fazit: Obwohl die meisten Studenten dem beruflichen Einstieg mit großem Optimismus entgegensehen, ist das Sicherheitsbedürfnis enorm: Ausgeprägt in einer Art und Weise, dass die Jobanforderung „Sicherer Arbeitsplatz“ zum wichtigsten Einstiegskriterium überhaupt wird – noch vor dem Gehalt. Am besten ködern Sie Ihren akademischen Nachwuchs daher mit einem Arbeitsumfeld, das berufliche Planbarkeit und Nachhaltigkeit ermöglicht. Oder anders ausgedrückt: Der Festvertrag kann für Sie bei der Bindung junger Absolventen zu einem echten geldwerten Vorteil werden.

Michael Scharsig
Über den/die Autor*in

Michael Scharsig

Mein Name ist Michael, ich habe früher für jobvalley gearbeitet und Artikel für das Jobmensa Magazin verfasst. 2013 habe ich mein JPR-Studium (Journalismus/Public Relations) abgeschlossen. Parallel dazu war ich rund zwei Jahre als Online-Fußballredakteur in NRW unterwegs und bin anschließend für drei Monate nach London gegangen. Dort lernte ich dann Marketing und Instagram näher kennen. In meiner letzten Station hatte ich als PR-Volontär mit Social Media und Blogger Relations zu tun. Privat bin ich außerdem Filmblogger und habe 2014 eine Rock-am-Ring-Facebook-Seite betreut, die sich dafür einsetzte, dass Festival in meine Heimat zu holen. Hat nicht geklappt, aber Spaß hat's gemacht.

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