Michael Scharsig

Pharma und Biotech: Top-Branche für Studenten – mit kleinen Fragezeichen

Michael Scharsig
Michael Scharsig
veröffentlicht am 17.9.2015

Fusionen und steigende Umsätze haben zuletzt für reichlich Bewegung in der deutschen Pharma- und Biotech-Landschaft gesorgt. Dennoch sehen Experten mit Blick auf den internationalen Wettbewerb einiges an Nachholbedarf. Wohin also geht die Reise? Und mit wem? Neue Ergebnisse der Studie „Fachkraft 2020“ zeigen ein ambivalentes Bild. Die Branche ist bei Studenten beliebt, keine Frage, zugleich aber ist Zurückhaltung erkennbar.

In Summe zieht es 6,4 Prozent aller 20.000 Studenten, die an der jüngsten Befragung zur Studie „Fachkraft 2020“ teilgenommen haben, beruflich in den Pharma- und Biotechnologie-Bereich – Rang 4 im Branchenranking der Studie. Für den vergleichsweise kleinen Bereich ein klasse Ergebnis, denn lediglich das Medien- und Verlagswesen (17,1 %), die Automobilindustrie (11,9 %) sowie die Unternehmensberatung (7,4 %) sind in Summe noch beliebter.

Doch: Der Optimismus der Hochschülerinnen und Hochschüler, den Rang 4 im Branchenranking erkennen lässt, bestätigt sich in der Detailanalyse nicht. Besonders im Hinblick auf das Einstiegsgehalt und einen schnellen, möglichst unproblematischen Berufseinstieg sind die studentischen Erwartungen an Pharma und Biotech eher verhalten.

Seit 2012 führen Studitemps und das Department of Labour Economics der Maastricht University jeden März und September bundesweite Erhebungen zur Studie „Fachkraft 2020“ durch. Befragt werden so pro Jahr mehr als 40.000 Studierende zu ihrer allgemeinen und wirtschaftlichen Lebenssituation – und natürlich zur beruflichen Perspektive.

Die Bayer AG – und dann lange nichts: Die Top-5-Arbeitgeber in Pharma und Biotech

Der deutsche Konzern Bayer AG ist mit knapp 30 Prozent unangefochtener Favorit derjenigen Studenten, die später in Pharma und Biotechnologie arbeiten wollen. Ein glänzendes Ergebnis für den Branchenriesen aus Leverkusen, denn mit großem Abstand wird Fresenius (10,7 %) auf Rang zwei verwiesen. Das Schweizer Unternehmen Novartis belegt mit 8,4 Prozent den dritten Platz, vor der Merck Gruppe (7,2 %) und Ratiopharm (6,8 %), beide ansässig in Deutschland. Weitere Platzierungen können der folgenden Darstellung entnommen werden.

Beliebteste Arbeitgeber in Pharma/Biotechnologie

Beliebteste Arbeitgeber Pharmabereich

Viel Arbeit, wenig Ertrag: Warum dann das Interesse an Pharma und Biotechnologie?

Wer in Pharma und Biotech arbeiten will, peilt zunächst einmal eine lange akademische Ausbildungszeit an. Demzufolge wollen lediglich 6 Prozent der zukünftigen Bewerberinnen und Bewerber bereits nach dem Bachelorabschluss beruflich vorstellig werden – in Anbetracht der hohen Spezialisierung der Branchen Pharma und Biotechnologie sicherlich nicht überraschend. Was jedoch überrascht, sind die niedrigen Gehaltserwartungen, mit denen die Anwärter ihre Karriere beginnen wollen. Durchschnittlich 39.923 Euro entsprechen einem Platz unteren Drittel des insgesamt 24 Wirtschaftsbereiche umfassenden Rankings.

Zum Vergleich: In der längst nicht so beliebten Chemiebranche werden zum Berufseinstieg etwa 44.500 Euro brutto pro Jahr erwartet, deutlich mehr also. Darüber hinaus ist bei Studenten mit Zielrichtung Pharma/Biotech die Angst vor Joblosigkeit nach dem Abschluss des Studiums mit anteilig 33 Prozent sehr hoch – eigentlich unverständlich. Auch der Wert der antizipierten Jobzufriedenheit entspricht mit 7,09 von maximal 10 Punkten lediglich dem Durchschnitt.

Detailanalyse der beliebtesten Arbeitgeber im Pharma/Biotechnologiebereich

Detailanalyse Pharmabranche

Bei der Detailanalyse innerhalb der Top-5-Arbeitgeber ergibt sich hinsichtlich Wunschgehalt und Branchenerfahrung ein interessantes Bild: Zwar fällt kein Unternehmen durch besonders hohe Gehaltserwartungen auf, jedoch streben gerade Studierende mit überdurchschnittlicher Branchenerfahrung (durch Jobs im Studium) in die Unternehmen Novartis und Merck Gruppe (was wiederum moderat höhere Gehaltswünsche nach sich zieht).

Klar wird auch mit Blick auf die Top-5: Ohne entsprechende Ausbildung werden die Karrierechancen in Pharma und Biotechnologie als sehr gering angesehen. Zum Beweis: Bei Ratiopharm wollen sich gerade einmal 3 Prozent der Absolventen mit einem Bachelorabschluss bewerben. Und auch sonst reicht dieser Wert im Bereich der Top-5 nicht über 6 Prozent hinaus.

Doch auch mit höheren akademischen Graden bleibt die Sorge vor Joblosigkeit hoch. Einzig Studierenden, die sich für den Berufseinstieg bei Ratiopharm interessieren, geht es diesbezüglich etwas besser. Zugleich rechnet man hier mit hoher beruflicher Zufriedenheit – höher noch als beim insgesamt erstplatzierten Bayer-Konzern.

Schnellcheck Pharamabranche

Nicht so extrovertiert – aber im Grunde ganz „normal“

Bei der Analyse der Persönlichkeitsmerkmale gibt es bezüglich der Studierenden mit Berufsziel Pharma- oder Biotechnologiebereich keine größeren Besonderheiten. Auffällig ist lediglich, dass in allen 5 Kategorien unterdurchschnittliche Ausprägungen erzielt werden – am stärksten im Bereich Extraversion, am wenigsten stark im Bereich Gewissenhaftigkeit.

Persönlichkeitsmerkmale Pharmabranche

Fazit von Studitemps: Die Aufbruchstimmung, die derzeit in der deutschen Pharma- und Biotechnologielandschaft herrscht, scheint viele Studierende mitzureißen. Die Branche ist bei angehenden Absolventen sehr beliebt. Dies könnte der Grund dafür sein, dass auf studentischer Seite von großer beruflicher Konkurrenz ausgegangen wird. Das Resultat: eine relativ geringe Gehaltserwartung, relativ große Sorge vor Arbeitslosigkeit.

Für die Unternehmen könnte die Situation dagegen entspannter nicht sein. Viele gut ausgebildete Studentinnen und Studenten werden in die Branche streben. Das zeichnet sich klar ab. Dennoch gibt es Entwicklungspotenzial, und zwar bei der frühzeitigen Bindung von Perspektivkräften. Denn: Nur 20 Prozent der Anwärterinnen und Anwärter gaben an, bereits im Studium Branchenerfahrung gesammelt zu haben. Deutlich zu wenig! Oder anders gesagt: Im gegenteiligen Fall wäre der Respekt vor Arbeitslosigkeit sicherlich geringer. Sie haben Interesse an einer neuen Nachwuchsstrategie? Sprechen Sie uns an

Michael Scharsig
Über den/die Autor*in

Michael Scharsig

Mein Name ist Michael, ich habe früher für jobvalley gearbeitet und Artikel für das Jobmensa Magazin verfasst. 2013 habe ich mein JPR-Studium (Journalismus/Public Relations) abgeschlossen. Parallel dazu war ich rund zwei Jahre als Online-Fußballredakteur in NRW unterwegs und bin anschließend für drei Monate nach London gegangen. Dort lernte ich dann Marketing und Instagram näher kennen. In meiner letzten Station hatte ich als PR-Volontär mit Social Media und Blogger Relations zu tun. Privat bin ich außerdem Filmblogger und habe 2014 eine Rock-am-Ring-Facebook-Seite betreut, die sich dafür einsetzte, dass Festival in meine Heimat zu holen. Hat nicht geklappt, aber Spaß hat's gemacht.

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