Michael Scharsig

Fast 10 Prozent der Studenten arbeiten noch unter Mindestlohn

Michael Scharsig
Michael Scharsig
veröffentlicht am 21.1.2016

Der zum 01. Januar 2015 eingeführte Mindestlohn betrifft auch den studentischen Jobmarkt. Ein Jahr später belegen aktuelle Zahlen der Studie „Fachkraft 2020“, dass sich das Gesetz in der Tat steigernd auf das studentische Gehaltsniveau ausgewirkt hat. Dennoch scheint das System nicht frei von Lücken, denn im Sommersemester 2015 erhielten noch zahlreiche Studierende weniger als die erforderlichen 8,50 Euro brutto – vor allem in fünf Bundesländern.

Im Jahr eins nach seiner Einführung hat der Mindestlohn am studentischen Jobmarkt deutliche Spuren hinterlassen. So ist festzuhalten, dass sich das Lohnniveau der Hochschülerinnen und Hochschüler von durchschnittlich 9,34 Euro (Sommersemester 2014) auf 9,86 Euro (SS 2015) erhöht hat. Dies entspricht einem kräftigen Anstieg von über 5 Prozent. Den vorliegenden Daten zufolge ist diese Steigerung vor allem auf die drastische Reduzierung der Bezahlung in eben jenem Niedriglohnbereich zurückzuführen, der heute – d. h. nach Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro brutto – rechtlich unzulässig wäre.

Alles gut also beim Thema Mindestlohn? Leider nein, denn auch konservativ berechnete Zahlen1 weisen für das Sommersemester 2015 einen beträchtlichen studentischen Jobanteil aus, der den Kriterien der Mindestlohn-Gesetzgebung schlichtweg nicht entspricht. Kurzum: Das System scheint eben doch (noch) nicht gänzlich frei von Lücken und Lohndumping. In nicht weniger als 5 deutschen Bundesländern lag der Anteil dieser de facto unzulässigen Beschäftigungsverhältnisse im Untersuchungszeitraum bei mindestens 10 Prozent. Außerdem scheint es vor allem für weibliche Studierende nicht leicht zu sein, dem Niedriglohn-Sektor die Rücklichter zu zeigen.

Die in diesem Artikel verwendeten Zahlen basieren auf zwei bundesweiten Befragungen der Studienreihe „Fachkraft 2020“, die Studitemps in Kooperation mit dem Department of Labour Economics der Maastricht University durchgeführt hat. Erhoben wurde im September 2014 und 2015 – jeweils mit (Rück-)Blick auf das gerade abgeschlossene Sommersemester. In Summe haben an beiden Befragungen knapp 50.000 Studierende aus ganz Deutschland teilgenommen. Von der Mindestlohn-Regelung ausgenommene Hochschülerinnen und Hochschüler (Pflicht- und Orientierungspraktika) wurden selbstredend nicht berücksichtigt.

Das studentische Lohnniveau vor und nach Einführung des Mindestlohns – Gesamtdarstellung

studentisches Lohnniveau vor und nach Einführung des Mindestlohns

Alle dabei? In 5 Bundesländern hakt es noch beim Mindestlohn

Zunächst der positive Effekt der Mindestlohn-Einführung: 2015 hat sich für Studierende der Niedriglohn-Anteil in allen 16 Bundesländern spürbar, teils drastisch verringert. Die größten Sprünge nach vorn haben diesbezüglich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen hingelegt, wo Studierende jeweils noch im Sommersemester 2014 in über 40 Prozent der Fälle unter Mindestlohn jobbten (vgl. Tabelle unten).

Das Problem: Trotz des insgesamt klaren Aufwärtstrends arbeitete im Untersuchungszeitraum des Sommersemesters 2015 in insgesamt 5 Bundesländern noch mindestens jeder zehnte Studierende unter Mindestlohn. Allen voran zu nennen ist Sachsen, wo die Quote bei 13,5 Prozent lag. Mecklenburg-Vorpommern (11,5 %) und Baden-Württemberg (10,5 %) folgen, außerdem Schleswig-Holstein (10,2 %) und Thüringen mit anteilig 10,0 Prozent.

Nahe null lagen diesbezüglich aber auch die meisten anderen Regionen nicht. So konnte in neun weiteren Bundesländern ein Jobanteil im Korridor von 5 bis 10 Prozent festgestellt werden, der noch unter Mindestlohn lag. Kurzum: Nimmt man einen kritischen Schwellenanteil von 5 Prozent zum Maßstab – demzufolge nur noch jeder 20. Job unter 8,50 Euro brutto läge – wären gegenwärtig lediglich Hamburg (4,4 %) und das Saarland (3,6 %) davon freigesprochen, beim Mindestlohn weiter nachbessern zu müssen.

Das studentische Lohnniveau vor und nach Einführung des Mindestlohns – Vergleich nach Bundesländern

Studentisches Lohnniveau nach Bundesland

Mindestlohn führt nicht zu Aushebelung des Gender Pay Gap

Die Analyse zeigt, dass männliche Studierende deutlich seltener unter Mindestlohn bezahlt werden als weibliche. Und zwar gilt dies für den Untersuchungszeitraum VOR (SS 2014) und NACH (SS 2015) Einführung der Lohnregelung. Gut 10 Prozent der Hochschülerinnen haben auch nach dem 01. Januar 2015 noch für weniger als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde gearbeitet. Auf männlicher Seite waren es gut 3 Prozent weniger. Das nachfolgende Diagramm verdeutlicht den Sachverhalt.

Das studentische Lohnniveau vor und nach Einführung des Mindestlohns – Vergleich nach Geschlecht

Studentisches Lohnniveau unter Mindestlohn nach Geschlecht

Fazit von Studitemps: Die Sache mit dem Mindestlohn hat sich für Studierende unter dem Strich bereits heute bezahlt gemacht. Das im Rahmen der Studienreihe „Fachkraft 2020“ ermittelte Lohnniveau ist im Zeitraum vom Sommersemester 2014 bis zum Sommersemester 2015 um gut 5 Prozent gestiegen – von zunächst 9,34 Euro im Durchschnitt auf zuletzt 9,86 Euro. Das kann sich sehen lassen.

Dennoch bleiben gut ein Jahr nach Einführung des Mindestlohns gewisse Zweifel an der „flächendeckenden“ Umsetzung der Gesetzesvorgabe am studentischen Jobmarkt. Denn auch laut konservativen Berechnungen lagen im Sommersemester 2015 noch 8,4 Prozent aller Studentenjobs in Deutschland unterhalb der politisch verordneten Lohnmarke von 8,50 Euro brutto je Stunde. In gleich 5 Bundesländern überschritt der Anteil der unzulässig niedrig bezahlten Jobverhältnisse sogar die 10-Prozent-Marke.

Insofern bleibt festzuhalten: Ja, der Mindestlohn hat den studentischen Jobmarkt finanziell ordentlich aufgewertet – sehr ordentlich sogar. Und nein, der Mindestlohn hat noch nicht Einzug in alle studentischen Portemonnaies erhalten. Insofern werden die kommenden Befragungen zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ zeigen, ob es sich bei dem festgestellten Ausmaß an Unterbezahlung lediglich um (vorübergehende) Anpassungs-Effekte handelt – oder aber um systematische Lohntrickserei. Man darf gespannt sein.

Und wie steht Studitemps selbst zum Mindestlohn? „Wir zahlen schon seit Jahren konsequent und im Einklang mit unseren Kunden über Mindestlohn“, sagt Geschäftsführer Benjamin Roos.

_________________________________________________________________

¹ Gefragt wurde im Rahmen der Studie „Fachkraft 2020“ nach Nettolöhnen. Da das durchschnittliche studentische Monatseinkommen im Sommersemester 2015 bei 302 Euro netto lag, wurden lediglich solche Stundenlöhne als „unterhalb des Mindestlohns“ erachtet, die bei 7 Euro und weniger (netto) rangierten.

Michael Scharsig
Über den/die Autor*in

Michael Scharsig

Mein Name ist Michael, ich habe früher für jobvalley gearbeitet und Artikel für das Jobmensa Magazin verfasst. 2013 habe ich mein JPR-Studium (Journalismus/Public Relations) abgeschlossen. Parallel dazu war ich rund zwei Jahre als Online-Fußballredakteur in NRW unterwegs und bin anschließend für drei Monate nach London gegangen. Dort lernte ich dann Marketing und Instagram näher kennen. In meiner letzten Station hatte ich als PR-Volontär mit Social Media und Blogger Relations zu tun. Privat bin ich außerdem Filmblogger und habe 2014 eine Rock-am-Ring-Facebook-Seite betreut, die sich dafür einsetzte, dass Festival in meine Heimat zu holen. Hat nicht geklappt, aber Spaß hat's gemacht.

Teile diesen Artikel